Mikroskopie: Durchblick mit geschwollenem Hirn?
Wer das Gehirn verstehen will, muss herausfinden, wie es aufgebaut ist. Der Neurowissenschaftler Ed Boyden am MIT in Cambridge erklärt in diesem Video eines Ted Talks zunächst in groben Zügen, wie unsere Denkzentrale organisiert ist. Da gibt es Netzwerke aus verwobenen Nervenzellen, es existieren aber auch innerhalb der Neurone eng verflochtene Netze aus Biomolekülen, die auf komplexe Art interagieren. Wie kann man diese dichte Architektur nur entschlüsseln?
Mit immer hochauflösenderen Messinstrumenten – das wäre die Standardantwort. Doch Boyden stellt lieber eine zunächst ungewöhnliche, aber auf den zweiten Blick durchaus naheliegende Frage: Warum mit immer präziseren Mikroskopen in die Welt winziger Neurone hineinzoomen, wenn man diese Welt genauso gut auf eine für einfache Mikroskope handhabbare Größe anschwellen lassen kann?
Expansions-Mikroskopie nennt Boyden diesen neuen Ansatz, den seine Gruppe entwickelt hat. Sie ist bestechend einfach: Man nehme gereinigte Polymere, die Wasser aufnehmen und dabei anschwellen, ähnlich wie das Material in Babywindeln. Dann bringe man diese Substanz ins Hirngewebe ein und füge Wasser hinzu – und schon gleiten die Bestandteile des Gehirns auseinander. Bei Teilen eines Mausgehirns funktioniert das bereits. Anhand eines kleinen Chemieexperiments führt Boyden den Zuschauern zumindest das Grundprinzip vor Augen.
Klar ist, dass diese Methode nur an totem Hirngewebe anwendbar ist, denn schwellende Hirne stellen schnell die Arbeit ein und sterben. Die Frage, ab welcher Expansionsstufe das Hirn auseinanderfällt, lässt Boyden zwar unbeantwortet. Dennoch: Die Methode erscheint genial einfach und aufschlussreich. Und sein mit netten Animationen gespickter Vortrag ist ein Musterbeispiel für eine faszinierende und zugleich angemessene Darstellung einer wahrhaft verwobenen Materie.
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